Drehen wir auf gegen COVID-19: Hitze als Therapiemaßnahme

Dieser Text ist eine Übersetzung und Zusammenfassung einer Ausarbeitung von Dr. Marc Cohen. Den ganzen Artikel und mehr Informationen zum Autor finden Sie hier.

Im Folgenden möchten wir uns mit der Verwendung von Wärme zur Behandlung und Vorbeugung von Virusinfektionen befassen:
Menschen entwickeln Fieber, um Infektionen im Körper zu bekämpfen. Denn Viren – gerade solche mit Virenhülle, wie das SARS-COV-2 – sind wärmeempfindlich. Sie werden bei Temperaturen zerstört, die für den Menschen noch gut erträglich sind.
Seit es Menschen gibt, nutzen diese Wärme in Form von heißen Quellen, Saunen, Hammams, Dampfbädern, Schwitzhütten, Dampfinhalationen, heißem Schlamm und Umschlägen zur Vorbeugung und Behandlung von Atemwegsinfektionen und zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden.
Gerade in der Anfangsphase einer Infektion kann eingeatmete Wärme das Immunsystem unterstützen. Denn die Wärme wirkt auf die oberen Atemwege. Darüber hinaus unterstützt Wärme, die auf den ganzen Körper angewendet wird, ebenfalls das Immunsystem, indem sie Fieber imitiert und die angeborene und erworbene Immunabwehr aktiviert und die physiologische Widerstandsfähigkeit aufbaut. Psychologisch ist eine Wärmebehandlung auch von Vorteil, denn sie lenkt den Fokus auf positive Handlung, verbessert Entspannung und Schlaf. Wärme ist eine billige, bequeme und weithin zugängliche therapeutische Maßnahme. Und obwohl es keine klinischen Protokolle für die Anwendung von Wärme zur Behandlung von COVID-19 gibt, könnten Protokolle, die sich auf traditionelle Praktiken stützen und Kontraindikationen, unerwünschte Wirkungen und Maßnahmen zur Infektionskontrolle berücksichtigen, entwickelt und schnell und kostengünstig auf breiter Ebene umgesetzt werden.
Obwohl es erhebliche Herausforderungen bei der Umsetzung von wärmebasierten Therapien während der aktuellen Pandemie gibt, stellen diese Therapien eine Möglichkeit dar, Naturmedizin, konventionelle Medizin und traditionelle Wellness-Praktiken zu integrieren und das Wohlbefinden von Patienten und medizinischem Personal zu unterstützen, während die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaft gestärkt und die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkungen zukünftiger Pandemien reduziert werden.

Wärme bei Viren und Säugetieren

Leben existiert innerhalb eines eng definierten Temperaturbereichs, doch Viren, die technisch gesehen nicht lebendig sind, können in einem breiten Spektrum von Umgebungen biologisch aktiv bleiben.
Behüllte Viren, wie Rhinoviren oder Coronaviren, sind am aktivsten in kühlen, trockenen Bedingungen, die mit einem erhöhten Auftreten von Atemwegsinfektionen verbunden sind (1), einschließlich Infektionen mit SARS-CoV (2) und SARS-CoV-2 (3). Allerdings wird die Lipidhülle bei wärmeren Temperaturen – die für Menschen noch erträglich sind – zerstört. Exakt ist von Wärme 55 bis 65 °C für 15 bis 30 Minuten die Rede, um eine Reihe von umhüllten Viren, einschließlich Coronaviren, zu deaktivieren (4).
Die erste Verteidigungslinie gegen Atemwegsviren ist die Nasenhöhle und die Nasennebenhöhlen, die eine schützende Schleimhautbarriere aufrechterhalten, die es ermöglicht, dass Viren abgefangen, vom Immunsystem identifiziert und dann weggeschwemmt werden können.
Im Winter, wenn das Sonnenlicht eingeschränkt und die Luft kalt und trocken ist, wird die Nasenhöhle zum kältesten Teil des Körpers, und wenn die Atemwege austrocknen und der Schleim dicker und schwieriger zu reinigen wird, werden die Bedingungen für das Eindringen und die Replikation von Viren günstiger.
Wenn Atemwegsviren die erste Verteidigungslinie – also Nasenhöhle und -Nebenhölen – überwinden, wird Fieber als Teil der Akutphasenreaktion produziert. Dies ist die zweite Verteidigungslinie des Immunsystems.

 

Wirkmechanismen

Unabhängig davon, ob sie intern erzeugt oder extern angewendet wird, hat Wärme einen tiefgreifenden Einfluss auf die Abwehrkräfte und die physiologische Widerstandsfähigkeit des Wirts. Die Mechanismen, mit denen Wärme virale Infektionen überwindet, hängen von der Einstellung, der Quelle, der Temperatur, der Feuchtigkeit, dem Ort und dem zeitlichen Verlauf der angewandten Wärme ab.
Die Inhalation von heißer Luft kann die erste Verteidigungslinie des Immunsystems unterstützen, indem sie die Virionen [einzelnes Viruspartikel, das sich außerhalb einer Zelle befindet d.Red.] in den oberen Atemwegen, wo sie sich zuerst festsetzen, direkt hemmt oder deaktiviert, was durch die Inhalation von Dampf noch verstärkt werden kann (5). Wärme, die auf den ganzen Körper angewendet wird, unterstützt die zweite Verteidigungslinie des Immunsystems weiter, indem sie Hitzestress entwickelt, der die Auswirkungen von Fieber nachahmt (6).
Zusätzlich zur Verbesserung der zellulären Reaktionen erhöht Hitzestress die Herzleistung, das Plasmavolumen und den peripheren Blutfluss und induziert die Entgiftung durch die Leber und die Nieren sowie durch die Haut über das Schwitzen (7), wodurch einige toxische Elemente bevorzugt ausgeschieden werden (8). Hitzestress erzeucht auch eine hormonelle Stressreaktion, die physiologische Widerstandsfähigkeit aufbaut und Toleranz gegenüber nachfolgendem Stress verleiht, ähnlich wie beim Sport (9).
Hitzestress kann einen weiteren Vorteil gegen virale Infektionen der Atemwege bieten, indem er den pH-Wert des Blutes verändert. Hyperthermie induziert Hyperventilation und nachfolgende respiratorische Alkalose (10), die alkalische Bedingungen schafft, die für die Wirtsabwehr günstiger sein können. Die Fähigkeit einer vorübergehenden alkalischen Umgebung, die virale Replikation zu hemmen und die Infektiosität zu reduzieren, wurde nachgewiesen. (11)(12)
Zusätzlich zu den physiologischen Vorteilen im Kampf gegen virale Infektionen wie COVID-19 bietet Wärme auch viele psychologische Vorteile. Saunabaden und andere Formen der Wärmetherapie erfordern Zeit und Anstrengung für eine aktive Entspannung, die dazu beitragen kann, die Aufmerksamkeit von angstauslösenden Nachrichten abzulenken und/oder die mit sozialer Enge verbundene Langeweile zu lindern. Saunabaden verbessert auch den Schlaf, was wiederum die Immunfunktion unterstützt. Das Ausüben einer Aktivität mit einem beabsichtigten positiven Ergebnis kann auch ein Gefühl der Kontrolle vermitteln, das andernfalls fehlen könnte, und etwas zu tun, das sich gut anfühlt, und positive Erwartungen zu haben, ruft die Kraft positiver Gedanken und den Placebo-Effekt oder „erinnertes Wohlbefinden“ hervor (13). In einer Zeit des Abstandes können Saunen auch eine Möglichkeit für enge Familienmitglieder bieten, auf eine Art und Weise zusammenzukommen, die in Finnland und anderen nordischen Ländern seit Generationen den Familienzusammenhalt unterstützt (14).

 

Wärme als Medizin

Heiße Quellen, Saunen, Hammams, Dampfbäder, Schwitzhütten, Dampfinhalationen, Bäder, heißer Schlamm und Umschläge wurden traditionell in kalten, trockenen Klimazonen zur Vorbeugung und Behandlung von Atemwegsinfektionen und zur Verbesserung der allgemeinen Gesundheit und des Wohlbefindens eingesetzt. Während wärmebasierte Therapien in der Schulmedizin, abgesehen von der lokalen Anwendung heißer Packungen zur Linderung von Symptomen, nicht weit verbreitet sind, gehören wärmebasierte Behandlungen zu den Standardangeboten in Wellness-Einrichtungen, wie z. B. in heißen Quellen, Badeeinrichtungen, Turnhallen, Fitnesszentren, Hotels und Resorts, wo sie sowohl als Therapie als auch zur Erholung genutzt werden (15).
Es gibt mehrere Belege, die den Einsatz von Wärme und Feuchtigkeit zur Vorbeugung und Behandlung von viralen Atemwegsinfektionen unterstützen. Historische und neue Belege deuten darauf hin, dass regelmäßiges Saunabaden die kardiovaskuläre, respiratorische und immunologische Funktion verbessert sowie die Stimmung und Lebensqualität steigert (16). Epidemiologische Belege deuten außerdem darauf hin, dass häufiges Saunabaden mit einem verringerten Risiko für Lungenentzündungen und Virusinfektionen verbunden ist (17), und randomisierte kontrollierte Studien deuten darauf hin, dass regelmäßiges Saunieren das Auftreten von Virusinfektionen der Atemwege halbieren kann (18). Randomisierte kontrollierte Studien deuten außerdem darauf hin, dass heiße Luft Atemwegsinfektionen behandeln kann, wobei sich herausgestellt hat, dass befeuchtete Luft bei Temperaturen über 43 °C für 20 bis 30 Minuten die Verbreitung reduziert, eine sofortige Linderung der Symptome bewirkt und den Verlauf einer Erkältung verbessert (19).

 

Klinische Anwendungen und Auswirkungen

Es gibt eine Reihe von wärmebasierten Maßnahmen, die neben Abstand halten, Händewaschen und anderen persönlichen Hygienemaßnahmen eingesetzt werden können, um bei der Überwindung von COVID-19 zu helfen. Zum Beispiel kann die Erwärmung und Befeuchtung von Innenräumen das Austrocknen der Nasenschleimhaut verhindern und die Durchgängigkeit der Nase erhöhen und eine symptomatische Linderung bewirken (20). Die direkte Anwendung von Wärme auf die oberen Atemwege bei den ersten Anzeichen einer Infektion kann außerdem dazu dienen, Virionen an dem Ort zu hemmen oder zu deaktivieren, an dem sie sich zuerst ansiedeln. Die Inhalation von Dampf mit zugesetzten ätherischen Ölen, die antivirale, abschwellende, anxiolytische und andere Eigenschaften haben, kann weiter dazu beitragen die Virenlast zu reduzieren sowie physische und psychische Erleichterung zu verschaffen (21).
Es gibt derzeit keine klinischen Behandlungsprotokolle für den Einsatz von Wärme zur Behandlung von COVID-19, jedoch hat Wärme eine lange Geschichte in der traditionellen Anwendung, und herkömmliche Praktiken wie abwechselnd heiße und kalte Tauchbäder, Entspannung nach der Wärmebehandlung und die Verwendung von ätherischen Ölen können ihre Entwicklung beeinflussen. Wärmebasierte klinische Protokolle müssen die Temperatur, den Zeitpunkt und die individuelle Verträglichkeit sowie die Luftfeuchtigkeit berücksichtigen. Hierzu gibt es noch keine klinischen Studien, um die man sich allerdings zeitnah, unter Berücksichtigung der Kontraindikationen bemühen sollte.
Obwohl die klinische Anwendung von Wärme bei der Prävention und Behandlung von COVID-19 vielversprechend ist, gibt es erhebliche Herausforderungen bei der Implementierung von wärmebasierten Therapien. Die aktuelle Pandemie hat dazu geführt, dass die Angst vor Ansteckung zu einer weit verbreiteten Schließung von öffentlichen Einrichtungen geführt hat, die Saunen und Wärmebehandlungen anbieten, wie z. B. Badeeinrichtungen, kommunale heiße Quellen, Spas, Turnhallen, Hotels und Fitnesszentren, und während es in einigen Ländern, wie z. B. Finnland, eine große Anzahl von privaten Saunen gibt, ist der private Saunabesitz in den meisten anderen Orten auf Menschen mit hohem sozioökonomischem Status beschränkt. Wenn also das Saunabaden auf breiter Basis eingeführt werden soll, müssen öffentliche Bade- und Saunaeinrichtungen ähnliche Maßnahmen zur Infektionskontrolle ergreifen wie die zum Umgang mit COVID-19 in Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen (22).

 

Schlussfolgerung

Wärme ist eine billige, bequeme und weithin zugängliche therapeutische Maßnahme mit einer langen Geschichte traditioneller Anwendung. Es bleibt abzuwarten, ob Wärme bei der Behandlung oder Prävention von COVID-19 wirksam sein kann. Die relativ geringen Kosten und die breite Verfügbarkeit von Wärmebehandlungen, zusammen mit den vielfältigen Wirkmechanismen, die sowohl physische als auch psychische Aspekte umfassen, machen Wärme zu einer attraktiven Option zur Bekämpfung von Virusinfektionen. Die Verknüpfung dieser alten Behandlungsformen mit moderner Technologie kann zu einer stärkeren Einbindung natürlicher Therapien in die allgemeine Gesundheitsversorgung führen, mit dem Potenzial, das Wohlbefinden sowohl von Patienten als auch von medizinischem Personal zu unterstützen. Dies kann auch zu einer größeren Annäherung zwischen der Gesundheits- und Wellnessbranche und der Entwicklung von Systemen und Aktivitäten führen, die das Wohlbefinden und die Widerstandsfähigkeit der breiteren Gemeinschaft aufbauen und dadurch die Auswirkungen zukünftiger Pandemien verringern.

Aus: Cohen M. Turning up the heat on COVID-19: heat as a therapeutic intervention [version 2; peer review: 2 approved]. F1000Research 2020, 9:292 (https://doi.org/10.12688/f1000research.23299.2) 

 

Quellangaben:

  1. Makinen et al., 2009
  2. Chan et al., 2011
  3. Sajadi et al., 2020; Wang et al., 2020
  4. Darnell et al., 2004; Duan et al., 2003; Hu et al., 2011; Kampf et al., 2020; Lelie et al., 1987; WHO Report, 2003
  5. Gujrathi et al., 2016
  6. Schieber & Ayres, 2016
  7. Crinnion, 2011
  8. Genuis et al., 2011
  9. Gálvez et al., 2018
  10. Tsuji et al., 2016
  11. Lamarre & Talbot, 1989
  12. Sturman et al., 1990
  13. Benson & Friedman, 1996
  14. Mather & Kaups, 1963
  15. Clark-Kennedy & Cohen, 2017
  16. Hussain & Cohen, 2018
  17. Kunutsor et al., 2017
  18. Ernst et al., 1990
  19. Tyrrell, 1988; Tyrrell et al., 1989
  20. Ophir & Elad, 1987
  21. Ali et al., 2015; Lee et al., 2017
  22. Liang, 2020