08.07.21

„Wedeln ist der Höhepunkt in großen Saunen“

 
 

„Wedeln ist der Höhepunkt in großen Saunen“


Ein Interview mit dem mehrfachen deutschen Aufguss-Meister Udo Mohr

Corona hat auch die Saunawelt fest im Griff. Mit einer dreimonatigen Unterbrechung im Sommer 2020 sind die öffentlichen Saunen seit über einem Jahr geschlossen. Wir haben mit Herrn Mohr gesprochen, den Saunameister des Waldschwimmbads Neu-Isenburg. Dieser ist trotz der Situation fröhlich-optimistisch und er brennt auf eine Wiedereröffnung. Denn er sagt „Ich bekomme so viele Nachrichten und Anfragen, wann wir wieder öffnen. Da möchte ich unseren Gästen in dieser schwierigen Zeit, in der Druck und Stress auf einer anderen Ebene stattfinden schon auch etwas geben.“ Ein Menschenfreund, das merkt man.

Heute wollten wir etwas mehr über das Wedeln wissen. Und über dieses Thema und auch einige andere, konnten wir viel von dem Experten erfahren:

Guten Tag Herr Mohr, Sie sind Saunameister. Momentan haben alle öffentlichen Saunen geschlossen, wie geht es Ihnen?

Letztes Jahr, als Corona begonnen hat, wurde geschlossen, dann ging es nochmal so drei Monate gut, und jetzt ist praktisch wieder seit Ende Oktober 2020 alles zu. Wir versuchen das Beste daraus zu machen, so wie viele andere auch.

Sie sind mehrfacher deutscher Aufguss-Meister. Ein Mann vom Fach also. Ein Teil Ihrer Aufgabe ist das Wedeln. Können Sie denn den Menschen ein paar Tipps geben? Was ist wedeln zunächst mal, wozu macht man es?

Ja, wedeln ist der Höhepunkt in großen Saunen, man macht es zum Abschluss eines Saunaganges. Das heißt, die Leute schwitzen und wenn die Haut dann genässt ist, versucht man mit dem Handtuch die sogenannte Haftschicht* bzw. Isolationsschicht vom Körper herunterzuziehen. Denn das ist ein sehr angenehmes Gefühl. Vor allem wenn es nicht zu heftig, sondern zart gemacht wird. Bei diesen Temperaturen ist es angenehm, wenn man von einem leichten Wind berührt wird. Und das genießen die Besucher einfach.

Fühlt sich das kurzfristig heißer an?

Ja, denn es wird mit sehr viel Luftfeuchte gearbeitet. Diese ist natürlich durch die Wärme im Raum erhitzt. Daher wird man zunächst durch einen warmen Schwung getroffen. Danach ist es trotzdem sehr angenehm. Es kommt auch immer darauf an, mit wieviel Wasser gearbeitet wird. Denn es gibt immer Menschen, die denken, viel Wasser ist immer gut. Ich glaube aber, wenn man mit wenig Wasser viel erzeugen kann, ist es deutlich angenehmer für den Gast.

Wo haben Sie wedeln gelernt?

Als ich anfing damals, hatte ich sehr gute Saunameister, die in diesem Bereich für die damalige Zeit schon ziemlich weit waren. Da habe ich natürlich schon sehr viel mitgenommen. Dann dachte mir aber, dass ich das, was die mir zeigen vielleicht noch ein bisschen verbessern kann. Insofern habe ich immer versucht, daran weiterzuarbeiten. Zuhause vor dem Spiegel habe ich immer geübt. Meine Frau hat geschimpft, dass ich den ganzen Staub vom Schrank aufwirble, aber so habe ich mich reingearbeitet.

Gibt es tatsächlich verschiedene Techniken?

Ja klar, es gibt ganz viele Techniken. Die Norm, das heißt, das Abschlagen, das seitlich ziehen (Fahnenziehen) oder das Abwedeln, das sind die gängigen. Es gab zum Beispiel in Südtirol einen Saunameister, der hat das Hubschrauberwedeln gemacht (den Hubschrauber mit dem Handtuch über dem Kopf). Oder es gibt das Pizzawedeln, das momentan so ganz aktuell ist. Es gibt also ganz viele verschiedene Techniken, die man anwenden kann.

Darüber hinaus gibt es natürlich auch ganz viele Wedelutensilien, die auch genutzt werden. Zum Beispiel in Erding. Dort arbeiten sie in der großen Sauna mit der Fahne. Der Fächer gehört natürlich auch dazu oder ein Ring. Das sind aber viele Dinge, die von früher abgeschaut wurden. Beispielsweise hatte Herr Danter („Wohlfühlführer Europas“) damals schon eine große Frisbeescheibe dabei. Diese hat er als Perlenring bezeichnet und wurde später von anderen übernommen, die sie auch heute noch zum Wedeln nutzen.

Und was verwenden Sie gerne?

Ich glaube, ich nutze mittlerweile alles und tausche durch. Denn es darf nicht zu einseitig werden. Die Gäste wünschen sich Abwechslung. Und ich bin mir sicher, wenn wir wieder öffnen dürfen, werden die Menschen nur zum Genießen kommen. Ich denke, es gibt sehr viel Nachholbedarf. Gewerbliche Saunen sind auch ein Kommunikationstreffpunkt. Der fehlt jetzt. Viele Menschen gehen immer an denselben Tagen, treffen sich dort, kennen sich und bilden Grüppchen. Werden Privatsaunen genutzt, wie jetzt, dann ist die Familie dabei. Das ist etwas vollkommen anderes.

Guter Punkt, wie ist das in einer Privatsauna? Kann man da auch wedeln?

Für den Eigenbedarf würde ich das wahrscheinlich weniger machen, denn Privatsaunen sind meist viel zu klein. Die haben ja oft nur 2-3 m². Außerdem kommt die Hitze dort meist von allein runter. Denn wenn eine Kelle aufgegossen wird, staut sich die Hitze sofort. Das merkt man schon, ohne dass man die Luft bewegen muss.

Sie haben auch getrennte Männer- oder Frauensaunen. Gibt es da Unterschiede?

Ja! Frauen mögen es meistens nicht ganz so heiß. Vereinzelt gibt es natürlich auch Unterschiede. Aber prinzipiell kann man sagen: Frauen mögen gerne Rituale. Beispielsweise mit Peelings oder mit Klangschalen. Männer dagegen haben auch gern ein bisschen Rockmusik im Hintergrund und mögen es eben heißer.

Wir machen ja auch Düfte. Kann in der Sauna das Duftempfinden gesteigert werden, ohne die Dosierung zu erhöhen?

Na klar! Weniger ist bei der Dosierung häufig mehr. Wenn überdosiert wird, kann das auch mal unangenehm werden oder in den Augen brennen. Damit sollte vorsichtig umgegangen werden. Ein Wechsel zwischen Duftkonzentraten und den Ölen ist auch oft schwierig. Ich liebe auch die Konzentrate, weil man mit denen spielen kann. Zum Beispiel, ist ein schöner Minzduft, der auf die Haut den kühlenden Effekt bringt etwas ganz Großartiges. Aber auch die klassischen Düfte, wie Melisse oder zitronige Düfte nutzt man ständig. Gerade im gewerblichen Bereich. Wenn die Türe geöffnet wird und dann die Menschen vor der Sauna stehen und immer noch den Duft riechen, das ist schon ein Anreiz.

Sie sind mehrfacher deutscher Aufguss-Meister. Wie wird man das?

Ich kam praktisch wie die Jungfrau zum Kinde dazu. Damals hatte ich gerade angefangen Aufgüsse durchzuführen. Einer aus unserem Kreis meinte, dass eine Meisterschaft stattfindet und fragte wer teilnehmen wolle. Eigentlich ging es nur darum zu sehen, wie wir abschneiden. Das war 2004 in Hannover im aquaLaatzium. Ich bin also mit einem Kollegen ohne Erwartungen hingefahren. Der Wettkampf bestand aus drei verschiedenen Techniken: dem normalen Aufguss, die Banja-Sauna (die besonders heiße, russische Sauna) also die Birkenquasten-Sauna (Osteuropa und Russland), und einem Aufguss, der frei erfunden werden konnte. Vor der Endrunde lag ich auf dem dritten Platz. Dann sollten alle drei Aufgüsse nochmal durchgearbeitet werden, andere Eigenschaften wurden bewertet. In der Runde bin ich dann vom dritten auf den ersten Platz gerutscht. So kam ich zu meinem ersten Titel. Anschließend gab es viele Jahre lang keine Meisterschaft. 2012 und 2014 richtete das „Sauna-, Wellness- und Gesundheitszentrum“ in Erzhausen bei Darmstadt die Meisterschaft aus, die ich beide gewann. Zu der damaligen Zeit gab es darum aber noch nicht so ein Hype, wie momentan. Mittlerweile wird um die Meisterschaft ja ein richtiger Rummel gemacht. Inzwischen liegt mehr Augenmerk auf einer Show als auf dem gesundheitlichen Aspekt. Dieser ist meiner Meinung nach verloren gegangen. Denn es geht nur noch darum, wie gewedelt, das Handtuch geworfen und wieder gefangen wird. Der gesundheitliche Effekt, den saunieren bringt und dass Sauna auch zum Wohlfühlen da ist und nicht nur für Show, darum geht es nicht mehr.

Zum Abschluss würde uns noch interessieren: Gehen Sie denn selbst gerne zum Entspannen in die Sauna?

Ja natürlich! Wenn es meine Zeit zulässt, dann lege ich mich gerne auch mal für eine halbe Stunde in die Sauna. Vielleicht mit etwas Musik im Hintergrund. Dann kann ich auch die Augen schließen und genieße das ausgiebig.

Dankeschön für das Gespräch, Herr Mohr!

Udo Mohr gibt bereits seit 15 Jahren Schulungen für Saunapersonal. Sollten Sie Interesse an einem Kontakt haben, stellen wir Ihnen diesen gerne her. Ein kurzes Anschreiben über unser Kontaktformular genügt.

 

*Haftschicht [Anm. d. Red.]: Die Haftschicht ist eine dünne Luftschicht, die alle ruhenden bzw. unbewegten Gegenstände umgibt. Prinzipiell dient sie zur Isolation der Haut. Beim sog. Wedeln reißt diese dünne Luftschicht und wird fortgewirbelt. Somit kann die noch heißere Raumluft an den Körper gelangen und die Hitze des Dampfstoßes wird noch intensiver wahrgenommen.

Dasselbe Prinzip (der fortgewirbelten Haftschicht) verursacht, dass wir kühles Wetter als unangenehmer empfinden, wenn Wind herrscht. Dies ist in der Sauna ähnlich, nur dass die Luftschicht die Haut vor der Wärmeeinwirkung durch die heiße Luft (Konvektion) schützt. Das Wedeln entfernt sie absichtlich, um die o.g. Wirkung zu erzielen.